Thesen zur
Unterrichts-
entwicklung
Didaktischer Salon Mitte
Die Gelingensbedingungen guten, das heißt methodenstarken, kompetenzentwickelnden Unterrichts lassen sich mit kognitiver Aktivierung und Klassenführung umreißen. Letzteres bedingt das Arbeiten in sozialen Gruppen, ersteres ist hoch individualisiert. Beide Aspekte werden aufgefächert und in ihren Facetten beleuchtet. Zudem sollen alle Angebote mit unterrichtspraktischen Beispielen unterlegt werden. Im didaktischen Salon werden thematische Ein-heiten in der Theorie beleuchtet und Praxiszugänge vorgestellt.
- didaktische und methodische Konzepte,
- Unterrichtsmaterialien,
- Plattformen für die Veröffentlichungen von Arbeitsergebnissen und -produkte,
- sowie thematische Arbeiten im Didaktischen Salon
Kompetenzen? Kompetenzen!
„Kompetenzen sind „kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen“.
Quelle: Klieme und Leutner (2006): Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen. Zeitschrift für Pädagogik 52, S. 879
Oder nach Uphues: „Kompetenzen sind intelligentes Wissen“ .
Quelle: Veranstaltung des Klett-Verlages 2011 in Berlin)
Also: Kompetenzen sind ein persönliches Vermögen, etwas zu tun oder zu leisten. Sie werden domänenspezifisch entwickelt und ausgeprägt. Im Gegensatz zu der Definition von Weinert werden hier motivationale und affektive Aspekte nicht berücksichtigt. Diese sind deutlich schwerer mess- und beeinflussbar.
Kompetenzen (competere [lat.] zusammentreffen, ausreichen) ergeben sich aus dem Zusammenkommen individuellen Wissens und Fertigkeiten und externen Herausforderungen, auf die diese angewendet werden können. Sprachkompetenz z.B. entsteht somit nicht durch das Lernen von Vokabeln und grammatikalischen Regeln, wiewohl diese notwendig sein mögen, Sprachkompetenz äußert sich erst in der Kommunikation, somit der Anwendung des Erlernten. Kompetenzen sind immer kontextbezogen. Niemand ist also kompetent an sich, auch wenn dies manchen Menschen schwer fällt zu akzeptieren. Menschen können immer nur kompetent auf bestimmten Gebieten bzw. in Bezug auf ein Gebiet sein, z.B. eine hohe fachdidaktische Kompetenz haben und eine ausgeprägte Beratungskompetenz besitzen. Diese Kompetenzen, das versteht sich fast von selbst, sind hoch individuell. Damit aus Wissen Kompetenz werden kann, muss dieses Wissen mittels herausfordernder Aufgaben zur Lösung von Problemen aktiviert werden. Erst in der Aufgabenlösung kann sich eine Kompetenz also zeigen. Genaugenommen beobachten wir hier Performanz und setzen sie mit Kompetenz gleich. Diese Gleichsetzung soll im schulischen Kontext und in der Lehrerbildung als gegeben angenommen werden.
J. Hennig 2015
Literatur: Manuela Paechter (Hrsg.) 2012: Handbuch Kompetenzorientierter Unterricht. Beltz Verlag, Weinheim und Basel
Kompetenzen entwicklen und evaluieren mit Kompetenzraster
Feedbackmethoden
Bedeutung von Feedback im Unterricht
Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte erfahren denselben Unterricht, erleben sich gegenseitig und die ablaufenden Prozesse aber unterschiedlich. Unterricht in Spannungs-situationen ist dadurch geprägt, dass sich die Akteure wechselseitig als anstrengend wahrnehmen. Feedback kann dies transparent machen und bei der Ursachensuche unterstützen.
Heterogenität – ein neues pädagogisches Phänomen?
Johann Friedrich Herbart (1843): … Die Verschiedenheit der Köpfe ist das große Hindernis aller Schulbildung. Darauf nicht zu achten ist der Grundfehler aller Schulgesetze, die den Despotismus der Schulmänner begünstigt, und alles nach einer Schnur zu hobeln veranlassen. Der Schein des Vielleistens, wo nicht viel geleistet werden kann, muss fort. Die Bürgerschulen beklagen sich, wenn man ihnen die zuweist, die für Gymnasien nicht taugen. Sie begreifen nicht, dass man ihnen die Vielseitigkeit zuweist …
gefunden in J. F. Herbart´s kleinere philosophische Schriften und Abhandlungen, nebst dessen wissenschaftlichen Nachlass. Dritter Band, F. A. Brockhaus Leipzig,
Binnendifferenzierung und Individualisierung
Individualisierung ist heute der identitätsprägende Prozess in der Jugend. Lebensstile und identitätsprägende Prozesse sind nicht mehr von Klassen und Schichten abhängig, auch nicht mehr von Mode- und Musikrichtungen. Nicht mehr langen Haare oder korrekten Scheitel, nicht mehr Rocker, Punk oder Popper sind maßgeblich für gruppenbildende Prozesse, nicht die Beatles oder die Stones, nein, die Musikkultur ist so vielfältig, dass sie kaum mehr identitätsstiftend ist, zu allem Übel sind die meisten Kids auch noch crossover, sie hören alles oder doch vieles. Der identitätsstiftende Prozess ist geprägt durch Pluralismus und Liberalität und führt zur Individualisierung. Meine Eltern hatten noch vier Geschwister. Die beiden brauchten keine Schulung in Teamkompetenz. Die meisten Kinder sind heute Einzelkinder, die TFR liegt in Deutschland seit den 1990er Jahren relativ konstant bei 1,42, d.h. im Durchschnitt bekommen hundert Frauen heute 142 Kinder – alle zusammen wohlgemerkt. Und in diese Kinder wird investiert, sie sind nicht länger Last oder Arbeitskräfte auf dem Hof. Bildung spielt eine entscheidende Rolle, die Kinder lernen ein selbstreflektierendes und selbstoptimierendes Sein. Leistung wird sinn- und identitätsstiftend in einem Teil der Gesellschaft. Da bekommt Teamkompetenz und soziale Kompetenz einen anderen Stellenwert. Und wenn es keine Großfamilien mehr gibt, die meisten Menschen nicht mehr in ruralen Gemeinschaften mit deren Opportunitätsdruck leben sondern in Kleinfamilien in Städten; wenn den traditionellen Bindungen ein zunehmender Selbstbezug und Selbstverwirklichung entgegengesetzt wird, wo kann soziale Kompetenz erworben werden, wenn nicht in der Schule? An dem Ort also, an dem die Kinder mit anderen Kindern konfrontiert werden, und zwar gleich mit mehr als 25 davon.
Unterricht und Schule sind durch die Gesellschaft geprägt, sie können sich gesellschaftlichen Prozessen nicht entziehen. Wenn also Individualisierung der maßgebliche gesellschaftliche Prozess ist und Schule und Unterricht in dieser Gesellschaft situiert sind, dann müssen Unterricht und Schule dem Rechnung tragen – durch eine stärkere Individualisierung der Lernangebote, aber auch mit der Entwicklung sozialer Kompetenzen, die früher im familiären Kontext erworben werden konnten.
J. Hennig 2014
Kulturelle Bildung in Berlins Mitte
Kann es so etwas wie kulturelle Bildung überhaupt geben? Ist nicht vielmehr jede Bildung Kultur(gut)? Folgt nicht jede Bildung einem kulturellen Narrativ? Finden wir nicht Ästhetik in chemischen Molekülen, in der Darstellung von Super-Novae oder in manchem mathematischen Beweis? Kann es also überhaupt Bildung jenseits kultureller Bildung geben?
Bildung wirkt – und wird erworben, so viel ist sicher – immer entlang sozio-kultureller Narrative – d. h. Bildung hat immer auch ethnische, milieutypische oder generative Aspekte.Die eine kulturelle Bildung gibt es deshalb sicher nicht, denn es gibt nicht den einen kulturellen Referenzrahmen für Bildung in dieser Stadt, schon gar nicht in diesem Bezirk. Aber die Gesellschaft wird durch gemeinsames kulturelles Wissen zusammen gehalten.
Die formale kulturelle Bildung, durch Curriculum nach außen und durch Kanon nach innen strukturiert, ist im schulischen Kontext durch den neuen Rahmenlehrplan gestärkt und nicht nur den ästhetischen Fächern übertragen. (Kulturelle) Bildung erschöpft sich aber nicht im kanonischen Wissen, sondern braucht die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Sujet.
Mehr noch ist Kultur unbändig; so unbändig, dass sie immer und überall stattfindet, sich immer neuer Stilmittel bedient und diese erschafft, neue Sprache gebiert, neue Musik und neue Symbolik. Diese informelle ästhetische Bildung ist geprägt durch kulturelle Virulenz unbekannter Konstrukte, durch kreatives Chaos, das nicht durch Kanon geordnet wird und durch Curriculum zu bändigen ist. Nicht werden kann. Neues wird hier zwar schnell adaptiert und wenn als NEU tituliert, wirkt es schon etabliert. Ein Teil der Kultur entzieht sich somit der formalen Bildung und Ihrem Topos, der Schule.
Gut zu wissen, dass auch außerhalb von Schulen, ja sogar ohne Schulen Kultur und Bildung gedeihen, denn beides sind ursprüngliche menschliche Bedürfnisse. Behörden und Bestimmungen, Kanon und Curriculum sind meist viel zu schwerfällig, um der kulturellen Entwicklung aktuell zu folgen. Nicht aber die Menschen in diesem Bereich. Auf sie kommt es an, wollen wir die Kinder in Mitte abholen und kulturell einbinden; an kulturellem Wissen teilhaben lassen.
Kulturelles Wissen hat also eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Kultur ist Verbindungsglied zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen und ihren jeweiligen Traditionsweisen, ein Bindeglied der schon beschriebenen Grenzen zwischen sozio-kulturellen Milieus, Alterskohorten und ethnischen Gruppen. Kultur in Mitte fordert deshalb Integration und Offenheit und fördert diese gleichsam. Diese Funktion von Kultur wird von uns als gesellschaftlichen Verantwortungsträgern gefördert. Diese Förderung von Kultur kostet Geld und braucht Ressourcen. Um diese effizient einsetzen zu können, haben Fach Kultur im Bezirksamt Mitte und Schulaufsicht die Bündelung von Ressourcen und Institutionen in der JUKS Plus / Junge Kunst Mitte beschlossen und die Umsetzung dieser begonnen.
Durch die Zusammenarbeit können und dürfen die Institutionen der Jungen Kunst Mitte nicht schlechter gestellt werden als vorher. Dies zu gestalten und auch der informellen kulturellen Betätigung Räume zu bieten, ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bezirk. Für die Kinder, die Jugendlichen, neue und alte Bewohner von Berlin Mitte.
J. Hennig 2017 anlässlich des Fachtags „Kulturelle Bildung“ in Berlin-Mitte
Thesen zur Digitalisierung der Bildung - Unterricht und Schule in 60 Jahren
Die Schule wird auch in 60 Jahren noch ein sozialer Ort sein, wo sich Schülerinnen und Schüler und Ihrer Lehrkräfte treffen und gemeinsam arbeiten. Auch in 60 Jahren wird es Aufgaben geben, die nur gemeinsam gelöst werden können. Sicher wir niemand Gedichte oder Lieder einem Computer vortragen, sondern der vertrauten Lehrkraft in der eigene Lerngruppe. Dort werden auch Präsentationen, Debatten und Statements geübt und umgesetzt. Es wird gemeinsam experimentiert und diskutiert, so wie heute auch. Aufsätze und Essays jenseits der formalen Bewertung werde immer aber auch durch Menschen ausgewertet.
Die Digitalisierung wird aber das Lernen, das Üben, die Diagnose und auch das Evaluieren von Lerninhalten und Kompetenzen deutlich verändern. Multimediale Online-Tutorials werden eine immense Bedeutung erhalten, auch weil sie individuell nach Tagesform und Bio-Rhythmus abrufbar sind. Die Zeiten schlecht erklärender LK ist vorbei, jede und jeder kann am Unterricht der Besten teilhaben. Übungen werden in einen spielerischen Kontext gesetzt und mit Bonussystemen verknüpft. Kaum eine Schülerin oder ein Schüler ist für das Abarbeiten von zig Übungsaufgaben zu gewinnen, die vier Tage später kollektiv überprüft werden, ohne ein adäquates, d.h. individuelles Feedback. Übungen, die notwendig sind, werden in einer herausfordernden Spielumgebung bearbeitet und mehr noch, durch ein Bonus- und Feedbacksystem, das sofort wirkt, motiviert.
Die Diagnose von Lernleistungen wird heute nicht selten in Klassenarbeiten erhoben, die zwei Wochen später zurückgegeben werden. Eine Nachsteuerung bei den überprüften Kompetenzen ist dann kaum noch möglich, da auch der Unterricht vorangeschritten ist und aktuell evtl. ganz anderen Themen bearbeitet werden. Für die Kompetenzentwicklung ist so eine Klassenarbeit dann weitgehend wertlos, weil nicht mehr mit den Ergebnissen gearbeitet wird. Digitalisierung und KI werden es ermöglichen, sofort nach dem Beenden einer Arbeit, deren Auswertung zu erhalten und ein Feedback zu geben sowie ein passendes Übungsprogramm zu erstellen, das ganz individuell die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler einschätzt und weiterentwickelt. Stärken können ausgebaut, Defizite erkannte und bearbeitet werden. Arbeiten sind dann nicht länger nur dafür da, Zensuren zu legitimieren, sie dienen der Evaluation von Lehr- und Lernprozessen und können unmittelbar den nachfolgenden Unterricht beeinflussen. Auch die formalen Kriterien für Aufsätze und Essays werden rechnergestützt analysiert und bewertet. Die Analyse gesellschaftswissenschaftlicher Materialien und Quellen kann multimedial und rechnergestützt erlernt und geübt werden. Lehrkräfte werden dann ganz sicher eine andere Rolle haben als heute. Und sie werden nicht mehr aus einer Genration kommen, die weiße Kreide auf grünem Grund für eine Grundvoraussetzung für Bildung halten und den Overheadprojektor für die letzte sinnvolle Erfindung im Schulalltag. Die Lehrkräfte, auf die es in 60 Jahren ankommt, sind heute noch nicht einmal geboren.
Vor Übungsaufgaben wird immer erst eine Diagnose geschaltet, die verhindert, dass Unmengen von Aufgaben geübt werden, für die es keinen Anlass gibt, weil der Übungsinhalt längst verstanden und gekonnt ist. Die Übungsaufgaben können zudem exakt auf das individuelle Anforderungsniveau zugeschnitten werden und Übungen können beendet werden, wenn es keinen Bedarf mehr dafür gibt. Dann gibt es mehr Zeit zum Musizieren und spielen oder für die anderen sinnvollen Lernaufgaben. Deren Pensum ist begrenzbar, Pausen- und Erholungszeiten sind eingeplant und werden berücksichtigt.
Regelmäßig werden standardisierte Arbeiten geschrieben werden, für die es sofort nach der Bearbeitung der letzten Aufgabe ein Feedback an die Eltern, die Schülerinnen und Schüler und deren Lehrkräfte gibt. Zudem ist der Vergleich an der Schule, für die Schulbehörden und die Forschung umgehend möglich. Dadurch kann unmittelbar reagiert werden und das auf allen Maßstabsebenen. Defizite von Individuen, von Klassen und Schulen können sofort analysiert und bearbeitet werden. Schulbehörden können umgehend erkennen, wo Probleme und Schwierigkeiten auftreten und dort gezielt unterstützen bzw. intervenieren. Länderübergreifende Vergleiche zeigen Defizite in Bildungsstrukturen auf und müssten den Eltern als Wählerinnen und Wählern erklärt werden. Und die Schule bleibt ein Ort des Miteinanders, an dem sich Schülerinnen und Schüler untereinander und mit Ihren Lehrkräften treffen und gemeinsam arbeiten, experimentieren, forschen und produzieren.
Ich bin fest überzeugt davon, dass sich diese Arbeit nicht in Fächern und nicht in 45-Minuten-Taktungen erschöpfen wird; vielmehr wird mehr an Themen und Projekten gearbeitet werden. Erarbeitetes Wissen wird hierbei vernetzt und angewendet. Durch die Digitalisierung und die Arbeit an Themen und Projekten wird sich der Schultag anders strukturieren und organisieren lassen. Musisch-ästhetische Bildung und Sport wird in den Schulalltag ebenso integriert sein wie kreative oder aktive und entspannende Pausen. Dabei können individuelle Schwerpunkte, Vorlieben und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sowie die ihrer Lehrkräfte besser berücksichtigt werden.
J. Hennig, Thesen zum 60. Jahrestag der Einweihung der Hansa-Grundschule durch Willi Brandt, Podiumsdiskussion am 20. November 2018
Bildung und Ethizität
Bildung bildet sich nicht nur in Zertifikaten ab, sondern auch in Teilnahmemöglichkeiten am Leben. Soziales Lernen im Lebensraum thematisiert: Wie bewegt man sich? Was tut man und was lässt man besser in welchen Kontexten? Habitus ist Bildung. Dafür ist Lernen der zentrale Zugang, nicht nur kognitivistisches Lernen im schulischen Kontext. Auch Gangster lernen, sogar im Gefängnis. Menschen lernen! Immer! Schulisches Lernen ist systematischer, langfristiger und kumulativer. Es zeichnet sich durch kognitive Schwerpunkte aus. Lernen im Lebensraum ist dagegen deutlich chaotischer, eklektischer und stärker ästhetisch ausgerichtet.
Eine Studie der Uni Essen zur ethnischen Diskriminierung zeigt: Es gibt eine Diskriminierung türkischer Jugendlicher auf dem Praktikums- und Arbeitsmarkt. Während bei gleichen Leistungen deutsche SuS vier Bewerbungen schreiben müssen, um ein positives Ergebnis zu erzielen, müssen türkische Jugendliche sieben Bewerbungen schreiben um erfolgreich zu sein. Afroamerikaner, die ihre Ethnizität bei Bildungstests angeben mussten haben schlechter abgeschlossen als andere. Dies macht deutlich, dass stereotype Wahrnehmung kognitive Leistungen negativ beeinflussen („Afrikaner sind dumm.“, „Mädchen sind schlecht in Mathematik.“). Und das gilt sicher auch in Deutschland.
Der Begriff bildungsferne Eltern im Kontext von Zuwanderung ist falsch. Die Eltern im Grundsatz sind nicht bildungsfern, im Gegenteil ihre Bildungsaspiration ist recht hoch. Sie sind eher Bildungssystemfern, denn dieses kennen und verstehen sie nicht. Dazu kommt, dass gerade türkische Einwanderer der ersten Generation i. d. R. eine Grund-schulbildung haben, sie wurden für einfache Arbeiten in Deutschland geworben. Ihre Kinder sind mehr als doppelt so lange im hiesigen Bildungssystem gewesen. Langfristige Investitionen, wie in die Bildung, sind keine erprobten Konzepte in diesen sozialen Gruppen. In der Regel erklärt der soziale Hintergrund die Bildungschance besser als der ethnische Hintergrund. Zudem erschweren segregierte Schulen die Bildungszugänge. Auch hier trifft ethnische auf soziale Segregation, beide überlagern sich. Außerdem gibt es ethnische Gruppen mit hohen Bildungsabschlüsse, teilweise sind diese besser, als die der autochthonen Bevölkerung (z. B. Schülerinnen und Schüler aus dem Iran, Vietnam, Spätaussiedler).
Nicht nur Bildungsinhalte, auch Intelligenztest sind kulturell normiert, sind also nicht kulturneutral. Es gibt eine kulturspezifische Aneignung von Musik und Rhythmus. Kognitive Leistung arabisch-islamischer Kinder, die den ganzen Koran auswendig lernen, wird im hiesigen Bildungssystem kaum gewürdigt. Obwohl dieser verinnerlicht und dann interpretiert wird, inhaltlich und ästhetisch.
Stärkung der Selbstwirksamkeit ist der zentrale Zugang bei Bildungshürden, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, ja unabhängig vom sozialen Millieu.
Fazit:
Was hemmt Bildungserfolge
- Stigmatisierung durch kollektivierende Begriffe: die Muslime, die Türken;
- Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Fremdes, nicht als Bereicherung wahrnehmen.
Was stärkt Bildungserfolge? Erfahrung von Selbstwirksamkeit
- eigene Erfahrungen machen (Handlungsorientierte Didaktik)
- Modelllernen, indirekte Erfahrungen
- Verbale Überredung, Motivation
- Interpretation emotionaler Erregung (Ich schaffe das!)
- „Six Cs“: Competence / Confidence / Connection / Charakter / Caring / Continuity
J. Hennig 2016